Soldan Tagungen

Im Rahmen der Veranstaltung beschäftigen sich Vertreter von Studierenden, Hochschulen, Anwaltschaft, Prüfungsämtern und der Rechtspolitik mit aktuellen Fragestellungen. Weitere Informationen auf www.soldan-tagung.de.

Stets eine anwaltsorientierte Juristenausbildung im Blick

Die Juristenausbildung in Deutschland war vor 2002 reformbedürftig und wies zu wenig Praxisbezug auf. Deshalb beschäftigten sich erstmals am 30. April 1999 Wissenschaftler und Praktiker auf der 1. Soldan Tagung in Hannover mit Fragen der inhaltlichen Ausgestaltung des rechtswissenschaftlichen Studiums. Der Gedankenaustausch ließ dabei den Wunsch entstehen, ein möglichst umfassendes Bild der gegenwärtigen Ausbildungssituation an allen Fakultäten zu gewinnen. Es wurde deshalb dem Institut für Anwalts- und Notarrecht der Universität Bielefeld der Auftrag erteilt, eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Anwaltsorientierung im Studium durchzuführen. Mit Mitteln der Hans Soldan Stiftung wurde ab August 1999 eine Erhebung durchgeführt, an der sich 21 Fakultäten aus ganz Deutschland beteiligten.

Mit einem Appell an den Gesetzgeber, die gestalterischen Freiräume in den Prüfungsordnungen zu nutzen, endete dann am 16. Juni 2000 die 2. Soldan Tagung in Heidelberg. Dr. Dr. h.c. Dieter Ahlers, Vorstand der Hans Soldan Stiftung, stellte dabei allerdings fest, dass die Prüfungsämter nicht wüssten, wie die Anwaltorientierung konkret aussehen sollte. Ein von der Hans Soldan Stiftung gegründeter Ausschuss sollte daher eine Definition erarbeiten, was unter anwaltsorientierter Ausbildung zu verstehen ist. Die Ergebnisse sollten schließlich den Justizministern und den Präsidenten der Landesjustizprüfungsämter vorgelegt werden.

Der Verlauf der 3. Soldan Tagung am 11. Mai 2001 in Berlin zeigte, dass die stärkere Praxisorientierung des rechtswissenschaftlichen Studiums nur ein Aspekt der Reform der juristischen Ausbildung ist. Heftig diskutiert wurden auch die Forderungen, Teile der Staatsprüfung von der Justizverwaltung auf die Universität zu übertragen und die bislang am Ende des Studiums stehende Staatsprüfung durch die Möglichkeit aufzulockern, einzelne Fächer bereits im Laufe des Studiums abzuschließen. Über die Notwendigkeit, die Studieninhalte stärker an der beratenden und gestaltenden Tätigkeit des praktizierenden Juristen auszurichten, bestand einmal mehr Einigkeit.

Die 4. Soldan Tagung am 03. Mai 2002 in Köln war nach der Verabschiedung des Reformgesetzes durch den Deutschen Bundestag die erste Veranstaltung zu diesem Thema. Ihr kam daher eine besondere Bedeutung zu. „Mit der Regelung, Pflichtfächer und Schwerpunktbereiche mit Wahlmöglichkeiten künftig zum Gegenstand des Studiums zu machen und die Prüfungen in den Schwerpunktbereichen durch die Universität abhalten zu lassen, können wir aus Sicht der Hans Soldan Stiftung leben. Dagegen trägt die Reform in der jetzt verabschiedeten Form im Rahmen des Vorbereitungsdienstes den besonderen Erfordernissen der späteren Tätigkeiten der Rechtsanwälte keine Rechnung“, so Dr. h.c. Ludwig Koch, Vorstand der Hans Soldan Stiftung.

Mit der Verabschiedung der „Bielefelder Empfehlungen zur inhaltlichen Neuausrichtung des rechtswissenschaftlichen Studiums“ endete die 5. Soldan Tagung am 25. April 2003 in Bielefeld. Darauf verständigten sich die über 120 Teilnehmer, darunter Vertreter von 18 juristischen Fakultäten. Die beschlossenen Empfehlungen sollten als Diskussionsgrundlage für die inhaltliche Neuausrichtung des Studiums gesehen werden. Sie erfolgten in enger Anlehnung an die bereits 1999 im Anschluss an die 1. Soldan Tagung aufgestellten 10 Thesen zur Orientierung des rechtswissenschaftlichen Studiums auch am Anwaltsberuf, berücksichtigten allerdings die zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesreform.

Zu einem ersten Erfahrungsaustausch zur anwaltsorientierten Juristenausbildung trafen sich dann rund 100 Vertreter aus Anwaltschaft, Wissenschaft und Justiz ein Jahr später auf der 6. Soldan Tagung am 23. April 2004 in Leipzig. In der von Rechtsanwalt Dr. Ludwig Koch und Prof. Becker-Eberhard moderierten Diskussion wurde deutlich, dass die Anwaltsorientierung sowohl in der universitären als auch in der Referendarausbildung erfolgen müsse. Angeregt wurde auch eine Reduzierung des Prüfungskatalogs. Im Ergebnis wurde deutlich, dass die Umsetzung der „äußeren“ Reform der Juristenausbildung in den einzelnen Ländern schon weit gediehen sei, sich nun aber eine „innere“ Reform anschließen müsse.

Auf der 7. Soldan Tagung am 10. Juni 2005 in Köln beschäftigte die Teilnehmer vor allem die vom Gesetzgeber unbeantwortete Frage, wer die Schlüsselqualifikationen lehren soll. Einig waren sich alle Teilnehmer nicht nur hinsichtlich der Notwendigkeit von Kleingruppen zur Vermittlung der Schlüsselqualifikationen, sondern auch hinsichtlich verschiedener anderer offener Reformpunkte. So soll nach Ansicht der Teilnehmer die Anwaltsorientierung in alle Pflichtfachstunden integriert werden und auch Prüfungsthema im 1. Staatsexamen sein. Zudem komme der Anwaltschaft bei der Vermittlung der Schlüsselqualifikationen eine entscheidende Rolle zu, der sie derzeit aber noch nicht allerorten in der gewünschten Form nachkommt.

Zu den Themen der bisherigen Umsetzung der anwaltlichen Juristenausbildung und den neuen Reformfragen fand vom 29. bis 30. Juni 2006 an der Universität Hannover die 8. Soldan Tagung statt. Die Beiträge der einzelnen Teilnehmer haben eindeutig aufgezeigt, dass eine stärkere Einbeziehung der Anwaltssicht in die Ausbildung gewünscht wird. Die Studenten sollten von Anfang an damit konfrontiert werden, was sie in der Praxis erwartet. Die Übernahme der Anwaltsausbildung durch Rechtsanwälte und die Einleitung der Spartenausbildung wurde allerdings größtenteils abgelehnt. Einig waren sich die Teilnehmer, dass man auf dem richtigen Weg, aber noch nicht am Ende des Weges angekommen sei. Eine noch stärkere Anwaltsorientierung müsse das Ziel sein.

Was aus der Reform des Jura-Studiums im Rahmen des Bologna-Prozesses wird, der eine Umstellung aller Studiengänge auf das Bachelor- und Master-System vorsieht, war auch am Ende der 9. Soldan Tagung am 15. Juni 2007 in Berlin noch völlig offen. Ob „4-Stufen-Modell“, „Zusatz-Master“, „Rechtspflege-Master“ oder „Stuttgarter-Reformmodell“, von verschiedenen Seiten wurde vor allem Kritik an der Stimmigkeit und Umsetzbarkeit des Modells geäußert. Fest stand nur, dass der Einsatz von Praktikern in der Lehre nicht nur beizubehalten, sondern noch auszubauen sei. Die anwesenden Universitätsprofessoren zeigten sich gegenüber einer übermäßigen Einbindung von Praktikern vor allem im Bereich der Kernfächer skeptisch. Sie hielten dagegen, dass die Studenten teilweise mit der Herangehensweise der Praktiker überfordert seien.

Studium, Referendariat und dann gleich als Anwalt vor Gericht? Wie kann man angehende Juristinnen und Juristen schon während des Studiums auf den anwaltlichen Alltag vorbereiten? Ob Moot Court oder Legal Clinic, einig waren sich die über 100 Teilnehmer und Referenten der 10. Soldan Tagung am 20. Mai 2011 in Hannover darin, dass diese Praxisübungen in sinnvoller Weise auf die anwaltliche Realität vorbereiten. Für Diskussionsstoff sorgten dagegen die Fragen, ob Moot Courts und Legal Clinics in die universitäre Ausbildung als fester oder sogar prüfungsrelevanter Bestandteil in das Jura-Studium aufgenommen werden sollten und wie mit der Haftungsproblematik bei der Beratung durch Studenten umzugehen ist.

Nach der Reform ist vor der Reform. Auf diese kurze Formel lässt sich das Ergebnis der 11. Soldan Tagung bringen, die am 13. und 14. Juni 2013 in Heidelberg stattfand. Die Tagung ging der Frage nach, ob sich die Erwartungen an das vor zehn Jahren in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Juristenausbildung erfüllt haben. Kritisiert wurde, dass die anwaltsorientierte Methode oft die Studenten überfordere und die Professoren bezweifelten, ob sich der Aufwand lohne. Das Grundkonzept sei besser als die einphasige Ausbildung, aber alle Beteiligten hätten sich wenig Mühe gegeben, die Idee Wirklichkeit werden zu lassen. So finde die geplante interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht statt. Festzuhalten sei, dass „Bologna“ schon im Sinne einer Verschulung des Studiums angekommen sei. Es werde aber zu wenig Vertragsgestaltung gelehrt und es sei auch zu wenig darüber geforscht worden. Die Vermittlung des Wissens um das Anwaltsrecht im engeren Sinne sei jedenfalls eine „Fehlanzeige“.

Die Anwaltsorientierung im Studium stand im Fokus der 12. Soldan Tagung, die am 25. und 26. Juni 2015 in Bielefeld stattfand. Die über 100 Teilnehmer kritisierten, dass praxisorientierte Studieninhalte noch immer in erster Linie in Zusatzveranstaltungen angeboten, nicht jedoch in den allgemeinen Lehrplänen verankert wären. Eine frühe Spezialisierung etwa in Form einer Spartenausbildung zum Anwalt lehnte jedoch die breite Mehrheit der Teilnehmer  ab. Sie bevorzugten nach wie vor die breiter angelegte Ausbildung zum „Einheitsjuristen“. Im gleichen Zuge hielt sie es jedoch für notwendig, die bestehenden Lehrpläne zu reformieren und Pflichtenkataloge zu kürzen. Projektbeispiele wie Planspiele, Mock Trials oder studentische Rechtsberatungen, die ebenfalls in Bielefeld vorgestellt wurden, stießen auf großes Interesse.

Law Clinics erfreuen sich in Deutschland immer größerer Beliebtheit: Nach einer 2017 durchgeführten Erhebung des Soldan Instituts gibt es 67 solcher studentischen Rechtsberatungen nach anglo-amerikanischem Vorbild. An vielen juristischen Fakultäten, aber auch Fachhochschulen existieren sogar gleich mehrere mit unterschiedlichen Spezialisierungen. Das Angebot reicht von Problemen des Asyl- und Ausländerrechts, über verbraucherrechtliche Fragestellungen, Seniorenrecht bis hin zur Beratung von Start-ups. Dabei werden die Studenten von Volljuristen angeleitet und überwacht. Auf der 13. Soldan Tagung, die am 29. und 30. Juni in Köln stattfand, diskutierten mehr als 100 Teilnehmer – Studenten, Vertreter der Hochschulen, der Anwaltschaft, der Justiz und der Prüfungsämter – Konzepte und Probleme dieser Form der anwaltsorientierten Juristenausbildung.

Die 14. Soldan Tagung, die am 20. und 21. Juni 2019 in Hamburg stattfand, widmete sich dem Thema Moot Courts in der juristischen Ausbildung. Studierende stellten 14 unterschiedliche Wettbewerbe zu verschiedenen Rechtsgebieten vor. Es wurde darüber diskutiert, ob die Teilnahme an den Moot Courts freiwillig bleiben solle oder wie man die Wettbewerbe besser in das Curriculum einbauen könne. In verschieden Workshops konnten sich die Teilnehmer mit Themen wie der Teamauswahl oder dem Fundraising beschäftigen. Zudem teilte ein Rhetoriktrainer praktische Tipps, die die Teilnehmer unter anderem bei ihren nächsten Verhandlungen im Moot Court anwenden können.